Augsburger Allgemeine | 01. September 2015
Tanja Leodolter aus Bobingen verspürt eine große Liebe zur Natur. Sie findet in den Wertachauen Inspiration für ihre Malerei. (von Peter Stöbich)
Wenn der Sommer allmählich geht und die herbstlichen Nebeltage kommen, ist Tanja Leodolter nicht wehmütig gestimmt. „Es herrscht ja ein ewiger Kreislauf von Werden und Vergehen in der Natur“, sagt sie, „aber, dass es immer weitergeht, hat etwas Tröstliches“. Aus ihrer großen Liebe zur Natur schöpft die Bobinger Künstlerin immer wieder Kraft und Inspiration für ihr Leben und ihre Arbeit als selbstständige Kommunikationsdesignerin, Illustratorin und Malerin.
Dieses Leben hat sie weit durch die Welt geführt: „Ich bin in Chicago geboren und zwischen den Kulturen Österreichs, Deutschlands und den USA aufgewachsen“, erzählt sie. Nach dem Studium an der Fachhochschule Augsburg folgten Aufenthalte in Japan, Thailand und USA sowie intensive Jahre des Bergsteigens und eine Ausbildung zur kunsttherapeutischen Pädagogin.
Heute hat sie mit ihrer Familie einen sicheren Heimathafen in Bobingen gefunden und ihren ganz speziellen Lieblingsplatz am Rand einer Lichtung in den Wertachauen. „Entdeckt habe ich ihn beim Spazierengehen mit meiner Tochter, seitdem komme ich immer wieder gern hierher zurück.“ Die unterschiedlichen Farben, Geräusche und Gerüche zu den verschiedenen Jahreszeiten lassen sie mit allen Sinnen die Landschaft wahrnehmen, die sie in ihren Bildern festhält.
Bei einer großen Ausstellung, die Leodolter kürzlich im Bobinger Rathaus präsentierte, waren unter anderem duftige Apfelblüten oder bewegte Teppiche aus Grün unter barocken Wolken zu sehen. „Am liebsten male ich meine Landschaften unter freiem Himmel und halte die sinnlichen Eindrücke der Natur fest“, erzählt sie. Das Staunen über die wunderbare Schöpfung und das Verstehenwollen sind für die Künstlerin immer wieder Anlass zum Malen, so wie im August gemeinsam mit Freundinnen am Staffelsee.
Man kann dort auch auf Bäume klettern
Am Rand der Lichtung steht eine riesige Eiche, deren mächtige Zweige einen schützenden Schirm bilden. Für die begeisterte Bergsteigerin ist es kein Problem, über eine Leiter hinauf zum Jagdstand zu klettern, von dem aus man die Wertachauen nach allen Seiten hin beobachten kann. „Hier kann ich ganz bei mir sein und die Ruhe genießen“, sagt Tanja Leodolter. Auf der kleinen hölzernen Plattform erzählt sie von ihrer künstlerischen Auseinandersetzung mit existenziellen Themen, von ihren Campingbus-Ausflügen nach Kroatien oder ins Ötztal und von ihrem Engagement im „Café International“, wo sich Bobinger Bürger bei Kaffee und Kuchen um die Asylbewerber kümmern.
„Wir Menschen empfinden uns oft als von der Natur getrennt“, sagt sie, doch an ihrem Lieblingsplatz könne man die Einheit der Schöpfung noch ganz direkt erleben. „Das trägt mich bei Problemen im Alltag.“ Und jeder kreative Künstler braucht besondere Phasen der Ruhe, in denen er wieder zu neuer Energie und Ideen findet.
In unserer übertechnisierten Zeit, die scheinbar immer hektischer wird, vermittelt das Sitzen im oder unter dem alten Baum ein Stück Beständigkeit. „Denn der stand schon da, bevor ich geboren wurde, und es wird ihn immer noch geben, wenn ich längst nicht mehr da bin.“